Sant Kirpal Singh, Autor.
Sant Kirpal Singh (1894-1974) wirkte seit 1948 als spiritueller Meister. Auf seinen Vortragsreisen und als langjähriger Präsident der Weltgemeinschaft der Religionen erwarb er sich im Osten wie im Westen große Achtung und Sympathie.
Text von... oben erwähntem Meister:
Den Weg des Geistes gehen, nicht der Geister...
Von Kontakten mit abgeschiedenen oder aufgestiegenen Seelen (Stichwort: Channeling) versprechen sich viele Menschen Einblicke in höhere Sphären und eine Erweiterung ihres spirituellen Horizonts. Doch warum sich auf Wissen aus zweiter Hand verlassen, wenn man dasselbe Wissen aus erster Hand erlangen kann?
Hauptweg und Nebenwege:
Der Mensch ist sei ner Natur nach göttlich, und die menschliche Geburt wurde uns als die einzige Gelegenheit ge schenkt, Gott zu erkennen. Das geht nicht mit den Sinnen oder dem Verstand. Nur die Seele ist dazu in der Lage, indem sie ihre Erkenntniskraft, die Aufmerksamkeit, nach innen wendet und zuerst auf sich selbst und dann auf Gott zurücklenkt. Darum kommt vor der Gotterkennt nis die Selb sterkenntnis: erst müssen wir wissen: Wer und was sind wir überhaupt? In welcher Beziehung stehen wir zu diesem Körper und zur übrigen Welt? Erst dann können wir unser Verhältnis zur Überseele stehen, die wir „Gott“ nennen. Selbsterkenntnis und Gotter kenntnis sind somit Spiritualität im eigentlichen Sinn.
Daneben gibt es noch verschiedene andere Rich tungen und Seitenwege, die nichts mit Spiritualität zu tun haben, wie zum Beispiel Spiritualismus und Spiritismus. Spiritualismus bedeutet, mit Seelen in Verbindung zu kommen, die den Körper bereits verlassen haben, und Spi ritismus heißt, Kontakt mit erdgebundenen Seelen aufzunehmen (vgl. Infos im Printausgabe).
...Geist-Seelen können euch nur so weit führen, wie sie selbst zu Lebzeiten gekommen sind.
Risiken und Fehlerquellen:
Beides ist gar nicht so leicht und birgt etliche Risiken und Fehlerquellen.
•Zuerst müsst ihr ein erfahrenes Medi um finden oder sogar selbst zum Medium werden, was auch nicht eben einfach ist.
•Selbst wenn ihr ein Medium findet, ist es nicht unbedingt ein beson ders guter Kanal.
•Ihr könnt die Geist-Seelen durch die Medien nicht sehen. Deshalb kann es sein, dass man euch etwas vormacht. Zu einem äu ßeren Menschen könnt ihr direkt hingehen und alles offen mit ihm bespre chen und klären. Ihr könnt ihm von Angesicht zu Angesicht Fragen stellen und von ihm Weisungen erhalten.
•Die Geist-Seelen können nicht immer zu euch sprechen, weil manchmal ungünstige atmosphärische Ein flüsse herrschen.
•Wenn es euch mit Hilfe des Mediums trotzdem gelingt, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, kann es immer noch sein, dass sie euch irreführende, unklare oder zumindest unverlässliche Informationen geben, die nur hin und wieder stimmen. Und da ihr diese Aussagen nicht überprüfen könnt, seid ihr ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
•Und auch wenn ihre Botschaften zutreffend sind, könnt ihr von den Geist-Seelen nur gerade so viel Wissen erlangen, wie sie selbst zu Lebzeiten erworben haben. Sie können euch also nur bis zu der Entwicklungsstufe weiterhelfen, die sie selbst zu ihren irdischen Lebzeiten erreicht haben. Wenn ich aus diesem Saal gehe, bin ich dersel be, der ich hier drinnen war. Ge nauso bleiben wir zu der Zeit, wo wir den Körper verlassen, auf dem Entwicklungsstand, den wir im menschlichen Körper erreicht haben. Wir werden nicht einfach zu Göttern, indem wir den Körper verlassen.
Direkter statt medialer Kontakt:
Der Kontakt mit abgeschiedenen oder aufgestiegenen Seelen ist also kein sehr exakter Weg, sondern nur ein Nebenweg der Spiritualität, und führt deshalb nicht sonderlich weit. Natürlich könnt ihr solche Seitenwege benutzen, aber genau besehen müsst ihr zur höchsten Ebene gehen, um mit Gott eins zu sein. Und dies ist nur möglich, wenn ihr euch von den Sinnes-, Gemüts- und Verstandeskräften löst, die euch an die äußere Welt gebunden halten. Wenn ihr noch zu Lebzeiten lernt, auf diese Weise „täglich zu sterben“ (vgl. 1 Kor 15,31) und euch ins Jenseits zu erheben, könnt ihr selbst Verbindung mit den Seelen auf den höheren Ebenen aufnehmen. Das ist dann in fast genauso, als würdet ihr sie von Angesicht zu Angesicht se hen – sehr überzeugend.
Im Jenseits gibt es zahllose Ebenen: niedere, höhere und rein spirituelle. Auf den niederen Ebenen befinden sich nur die erdgebundenen Seelen – die Geister. Der Kontakt zu ihnen kann regelrecht schädlich sein; sie können sogar von fremden Körpern Besitz nehmen, die ihnen passend erscheinen. Spiritismus ist also die niedrigste Form von al len Seitenpfaden der Spiritualität und daher keineswegs empfehlenswert. Man sollte sich unter keinen Umstän den damit abgeben.
Auf den höheren Ebenen gibt es wiederum viele Arten von höheren Seelen. Manche befassen sich nur mit der Leitung weltlicher Angelegenhei ten, andere sind rein spirituell. Wenn ihr mit ihnen in Verbindung kommen wollt, warum erhebt ihr euch dann nicht selbst bewusst im Kör per dorthin, wo sie weilen? Dann könnt ihr ihnen direkt vor Ort begegnen. Ihr müsst euch nur klar werden, wo sie zu finden sind, und dorthin gehen, noch während ihr lebt. Lernt, diese physische Ebene zu verlassen, kommt mit ih nen in Kontakt und sprecht of fen mit ihnen. Ist das nicht überzeugender?
Wenn ihr allerdings Gott erkennen wollt, ist es bedeutend hilfreicher, mit spirituellen Menschen in Verbindung zu kommen.
Sich auf das Wesentliche konzentrieren:
Spiritualität ist nur das Wissen vom Selbst und von Gott – ihr könnt ihn dort so sehen, wie ich euch sehe, und ihr mich. Doch es ist ein Jammer, dass wir, obwohl wir Seelen sind, bewusste Wesen, unter der Herr schaft des Gemüts stehen. Das Ge müt wiederum ist den nach außen wirkenden Sinneskräften unterwor fen, und durch sie sind wir so sehr mit den äußeren Dingen identifi ziert, dass wir uns selbst vergessen haben.Wenn ihr ein Kind von drei oder vier Jahren fragt: „Wer bist du?“, wird es einfach Mund und Augen aufsperren. Es fühlt da ir - gendetwas... Wenn es älter wird, hat es sich so sehr mit dem Körper gleichgesetzt, dass es als Erwach sener auf dieselbe Frage sagen wird: „Ich bin Herr Joseph, ich bin Frau Müller.“ Und wenn ihr weiter fragt, wird die betreffende Person sagen: „Ich bin Christ, ich bin römischkatholisch, ich bin Protestant, ich bin Muslim.“ So weit entfernen wir uns von unserem ei gentlichen Wesen.
Spiritualität ist eine Sache der praktischen Selbstanalyse – wir sagen beispielsweise: „Das ist meine Uhr, das ist mein Buch, das ist mein Hut“, usw. Wir können all das beiseite legen. Wir sagen auch: „Das ist mein Körper.“ Aber kön nen wir ihn ebenfalls willentlich ab legen? Die Mei ster sagen: „Beim so genannten Tod müsst ihr den Körper unfreiwillig und unvermittelt ver lassen. Dann bleibt euch nur das, was ihr in euch entwickelt habt.“ Wenn ihr ungebildete Menschen seid, bleibt ihr es auch im Tod. Wenn ihr ausschließlich an weltliche Dinge gebunden seid, werdet ihr zu Geistern. Wenn ihr aber Gott erkannt habt, geht ihr direkt in den Schoß des Vaters.
Die erwachten Seelen haben sich über das Körperbewusstsein erhoben. Sie sind nicht mehr mit äußeren Dingen identifiziert, sondern ma chen lediglich den besten Gebrauch von allem, was ihnen hier zur Verfü gung steht. Wenn wir dank ihrer Starthilfe unsere Auf merksamkeit von außen zurück ziehen und über die Sinne erhe ben, erkennen wir uns selbst und können dann auch Gott erken nen.
Was wirklich zählt:
Statt dessen befassen wir uns mit Um- und Nebenwegen. Unser Ziel ist es aber, Gott zu erkennen. Wie soll das gehen, wenn eben die Aufmerksamkeit, mit der wir Gott erkennen sollten, mit ande ren Dingen beschäftigt ist?
Alle Menschen, die erwacht sind und sich selbst er kannt haben, können auch andere erwecken – nennt sie, wie ihr wollt: Heilige, Meister, Gesandte, Propheten... Denn für den praktischen Weg, sich über das Körperbewusstsein zu erheben, um sich selbst und dann Gott zu erkennen, gilt das Gleiche wie im weltlichen Bereich: wenn ihr irgen deine neue Aufgabe in Angriff nehmen müsst, dann müsst ihr zu einem Fachmann gehen, der sich auf diesem Gebiet gründlich auskennt.
Solche „spirituellen Fachleute“ sind in allen Reli gionen gekommen. Sie sind alle eins und haben uns dieselben Lehren verkündet. Sie sehen die Wahrheit und vermitteln uns nur die Lehre der Gotterkennt nis, keine Randgebiete darum herum. Alle anderen dagegen gehen in ihren Aussagen auseinander. Und warum? Weil sie of fensichtlich Gott noch nicht gesehen haben. Sie versuchen es, sie sind auf dem Weg, aber sie ha ben ihn noch nicht gefunden. Gott selbst zu sehen ist etwas ande res. Und alle, die ihn gefunden haben, sa gen: „Geist- Kontakte mit höheren Seelen zu haben ist gut und schön, aber das Selbst und Gott zu erkennen, ist am allerbesten.“